Jeans auf Abwegen

Artikel in den Potsdamer Neueste Nachrichten vom 28. Januar 2004 von Lars Dittmer //Auswüchse der Kleidungsindustrie im globalkritischen Film beim „globale 04“-Festival im Filmmuseum (28.01.04)  Die letzte Veranstaltung des „globale 04“- Festivals im Filmmuseum stand ganz im Zeichen von Kleidung und der Jeans. Von Levi Strauss derzeit noch als Nutz- und Arbeitskleidung ersonnen, ist die Jeans heute ein in allen Variationen auftretendes Lifestyleprodukt und bedeutet mithin ein Milliardengeschäft für internationale Konzerne.

Lediglich die Grundzutat ist noch die Gleiche wie damals: Baumwolle. Die Globalisierungskritiker von Attac Potsdam und der Verein Twende Pamoja (kisuaheli: zusammen gehen), der Begegnungsreisen mit dem Baumwollexporteur Tansania veranstaltet, taten sich für einen Themennachmittag zusammen um Otto-Normal-Shopper über wenig bekannte und teils absurde Tatsachen bei der Fabrikation unseres Alltag-Zwirns zu informieren.

Levi's Logo

Auch zu Straussens Zeiten war Kleidung schon umkämpft (foto:Screenshot)

Twende Pamoja hatten Schautafeln aufgestellt, über denen man beispielsweise den langen Weg einer Jeans von den Baumwollplantagen Ostafrikas bis hin zum Boutiquentisch in Berlin-Mitte nachvollziehen konnte. Das Exempel legte elf Stationen quer über den Erdball zurück und machte dabei skurrilerweise auch mal in Griechenland Station, nur um „steingewaschen“ zu werden. Auch die zunehmend kommerzialisierte Altkleidersammlung wurde kritisch unter die Lupe genommen. „Viele Menschen, die guten Willens Kleidung in Container werfen, wissen nichts über den langen Weg, den ihre Spende vor sich hat“, sagt Michaela Blaske von Twende Pamoja. Kleidung erster Wahl werde dabei von Organisationen wie dem Roten Kreuz über Holland nach Osteuropa verschickt, Kleidung zweiter und dritter Wahl komme nach Afrika und dann auch in Länder wie Tansania, in denen sie ihren Ursprung hat.

Dort werde sie von Zwischenhändlern verkauft, die die Spenden zu Geld, und so Blaske, einen „gehörigen Reibach“ machen. In den jungen afrikanischen Ländern komme die Mode aus dem Westen sehr gut an und verdränge die klassische afrikanische Kleidung, die „Kangas“, wie sie in Tansania heißen. „Die Bekleidungsindustrie Tansanias ist faktisch tot“, beklagt Michaela Blaske, „die afrikanischen Länder geraten da auch in unerwünschte Abhängigkeiten.“ Twende Pamoja wolle auch nicht erreichen, dass Menschen nichts mehr spenden, sondern lediglich darüber informieren, dass es auch Alternativen dazu gebe. Beispielsweise die Firma Oxfam, die im Rahmen ihres Projekts „Überflüssiges flüssig machen“ Kleiderspenden verkaufe und das Geld in afrikanische Wasserprojekte investiere. „Es geht auch transparent“, versicherte Michaela Blaske.

Der von Attac Potsdam gezeigte Film „Cottonmoney und die globale Jeans“ von Peter Heller veranschaulichte am Beispiel Tansanias den Niedergang der ostafrikanischen Baumwollindustrie. In den Siebzigern hatte der damals staatlich unterstützte Sektor dem von Julius Nyerere regierten Land zu bescheidenem Wohlstand verholfen; die in den achtziger Jahren an Zugkraft gewinnende Globalisierung vernichtete diese Ansätze allerdings zu weiten Teilen und fegte den Reformsozialisten Nyerere aus dem Amt. Die groteske Szene, in der ein ruinierter Baumwollbauer aus einem kleinen ostafrikanischem Dorf eine Pariser Modenschau kommentierte, die ihm auf Video gezeigt wurde, löste in den Kinoreihen vereinzelt verkrampftes Lachen aus. Zweifellos wurden vor so manchen heimischen Spiegeln diesen Abend Adidas-Schuhe zum Politikum. Obwohl der Kinosaal nur etwa halb gefüllt war, zog Steffen Kühne von Attac Potsdam insgesamt ein positives Resümee über die „globale 04“, die überwiegend von jungen Leuten besucht wurde. Lars Dittmer

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