Gnadenbrot für CDU-Konservative – Merkel erteilt „Homo-Ehe“ Abfuhr

Gleichstellung der „Homo-Ehe“ oder nicht? Auf dem Parteitag der CDU in Hannover diese Woche könnte dieses Thema für aufgeregte Diskussionen sorgen. Trotz guter Argumente für eine Gleichstellung hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel im Vorfeld bereits dagegen ausgesprochen. Mit ihrem „Nein“ wärmt sie die Seele der Konservativen, die in den vergangenen Jahren viele Zugeständnisse machen mussten. Für Merkel geht es dabei auch darum, eine Spaltung der Union zu verhindern.

Foto: Wikipedia (Ralf Roletschek)

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Geht es um Identität einer Partei, stehen sachliche Argumente gerne einmal zurück. Für die Unionsparteien ist insbesondere die eingetragene Lebenspartnerschaft, vulgo „Homo-Ehe“, ein emotionales Thema: denn bislang gilt das Ehegatten-Splitting, das einen vergünstigten Steuertarif für verheiratete Pärchen erlaubt, nur für die Ehe von Mann und Frau – ganz im Sinne der Konservativen in der Union. Jüngst ist aber eine Gruppe von 13 CDU-Parlamentariern mit der Forderung aufgetreten, die Lebenspartnerschaft der Ehe gleichzustellen. Auch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder ist mit von der Partie.

Auf dem Unions-Parteitag diese Woche in Hannover könnte sich dieser Disput nun entladen. Angela Merkel hat sich bereits vor dem Treffen gegen eine Gleichstellung ausgesprochen. Dies war aus Merkels Sicht politisch geboten: Denn letztlich geht es in der Diskussion auch darum, wofür die Union eigentlich noch steht – und ob sie sich kurz vor den Bundestagswahlen noch eine Identitätskrise erlauben möchte.

Etwas schwach klingen sie auf der Brust, die Verteidiger der bessergestellten heterosexuellen Ehe. „Ich persönlich möchte die steuerliche Privilegierung der Ehe beim Splitting-Tarif erhalten, weil unser Grundgesetz die Ehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Familie sieht und beide unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt“, formulierte Bundeskanzlerin Angela Merkel sperrig gegenüber der „Bild am Sonntag“. CSU-Chef Horst Seehofer blies in das gleiche Horn, wenngleich etwas flotter: Der „besondere Schutz von Ehe und Familie“ sei „nicht umsonst“ im Grundgesetz verankert, sagte er der „Welt am Sonntag“. Beide bemühen damit ein Argument, das die Quelle der Regelung heiligt, die Regelung selbst aber in der Sache nicht hinterfragt.

Denn warum sollte die Besserstellung der Ehe gut sein, nur weil sie im Grundgesetz steht? In Stein gemeißelt sind nur die zehn Gebote. Unser Grundgesetz wurde wenige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg vom parlamentarischen Rat beschlossen, es hält den Schutz von Ehe und Familie in Artikel 6 fest. Das ist sechzig Jahre her – und die Lebenswirklichkeit in Deutschland ist schon lange kaum noch vergleichbar mit den biederen Nachkriegsjahren. Die vierköpfige Norm-Familie von damals ist multiplen Konstellationen des Zusammenlebens gewichen, der Fokus heute liegt darauf, dass Menschen sich umeinander kümmern. Wer genau diese Menschen sind, ist angesichts hoher Scheidungsraten und mäandernder Lebensläufe längst in den Hintergrund getreten.

Und sollte es nur um die Anzahl der Kinder in unserer Gesellschaft gehen: Es werde kein Kind weniger geboren, wenn eingetragene Lebenspartnerschaften steuerlich gleichgestellt würden, sagte der Berliner Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak (CDU) der „Berliner Zeitung“. Das ist ein tatsächliches Argument, dass die Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Ehe sachlich stützt. Klar muss unsere Gesellschaft kinder- und familienfreundlicher werden – ob dies durch die Schlechterstellung bestimmter Pärchen, in diesem Falle homosexueller, die ebenfalls vielfach Verantwortung für Kinder übernehmen, gelingt, ist mehr als fraglich.

Gleichwohl ist es für Angela Merkel in dieser Situation alles andere als ratsam, sich den Befürwortern unbesehen anzuschließen. Sie beweist hier einmal wieder, dass sie parteipolitisch klug und strategisch taktiert – und wenn es der Parteiräson dient, auch notfalls einmal rationale Argumente geflissentlich übersieht. Denn für viele Konservative hieße eine Gleichstellung, eine ihrer letzten Bastionen aufzugeben. Es geht dabei um nicht viel weniger als um die Identität der Union – und dabei bleiben Rationalität und Fairness gegenüber Minderheiten auch mal auf der Strecke.

Denn wofür stehen die Unionsparteien heute? Sie haben mit dem Atomausstieg ein rot-grünes Projekt wiederaufgenommen, haben das dreigliedrige Schulsystem de facto abgeschafft. Die Progressiven in der Union haben in den vergangenen Jahren reichlich Rückenwind gehabt. Mit der Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Ehe gäbe Merkel nun ein weiteres Thema der verbliebenen Konservativen in der Union preis  – und würde sie inklusive der mächtigen CSU weiter entfremden. Dies hätte das Potenzial, die Partei nicht einmal ein Jahr vor der Bundestagswahl in eine Identitätskrise schlittern zu lassen, die sie entschieden schwächen könnte.

Möglich ist, dass Merkel auf Argumente des Bundesverfassungsgerichts wartet und dann neu bewertet. Karlsruhe wird im kommenden Jahr über die vollständige Gleichstellung beider Partnerschaftsformen entscheiden – erwartet wird grünes Licht. Ein gesellschaftspolitischer Schwenk fiele Merkel dann nicht mehr schwer. Bis dahin erhalten die Konservativen in der Union dieses Gnadenbrot. Politik ist eben nicht nur Technokratie, sondern auch „Herzenssache“.

Erschienen auf Yahoo Nachrichten am 3. Dezember 2012

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