Deutschland und die Radikalen – eine kurze Geschichte des Parteiverbots

Nach dem Vorstoß der Länder, die NPD verbieten zu lassen, guckt Deutschland in die Geschichtsbücher. Drei Mal hat die Politik bereits versucht, Parteien zu verbieten – zwei Mal mit Erfolg. Hochzeit waren die fünfziger Jahre, in denen massiv gegen die extremistischen Ränder vorgegangen wurde. Insbesondere eine Partei drohte wegen ihrer Radikalität und ihrer Erfolge an den Wahlurnen zu einer Gefahr für die junge Demokratie zu werden.

Übermäßiges Vertrauen schienen die Gründungsväter der Bundesrepublik nicht in den demokratischen Willen der Deutschen zu haben. Sie hatten nicht vergessen, mit welcher Leichtigkeit und mit wie viel Einverständnis von allen Seiten die Weimarer Demokratie zugunsten der NS-Diktatur im Jahr 1933 abgeschafft worden war. Darum beschlossen sie nach dem zweiten Weltkrieg, die Demokratie wehrhaft zu machen gegen radikale Feinde.

SRP 1952: Der ehemalige Schulungsleiter einer NS-Ordensburg, 1. Vors. der SRP Dr. Dorls, der ehemalige Generalmajor Otto Ernst Remer, 2. Vors. der SRP und der ehemalige SS- und HJ-Führer Graf v. Westarp. (Bundesarchiv, Bild 183-15845-0010 / CC-BY-SA/Wikipedia)

Der parlamentarische Rat, der 1947 zusammentrat um das deutsche Grundgesetz zu beschließen, führte mittels zweier Gesetze die „wehrhafte Demokratie“ ein, die in besonderen Fällen auch ein Verbot von Parteien erlaubt: so regelt etwa Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes, dass Parteien, die die freiheitlich demokratische Grundordnung oder die Bundesrepublik selbst gefährden, verfassungswidrig seien.

Eine Partei zu verbieten ist in einer Demokratie problematisch, dessen war sich der parlamentarische Rat bewusst. Nicht zuletzt waren einige der Gründungsväter nur wenige Jahre zuvor selbst in Parteien tätig, die verboten worden waren. Der SPD etwa war dies unter Bismarck und zuletzt im Jahr 1933 unter der Willkürherrschaft Hitlers widerfahren – die Parteimitglieder waren jedoch schon Jahre zuvor schikaniert und teils sogar ermordet worden. Daher war dem parlamentarischen Rat klar, dass auch Parteien künftig Anrecht haben müssten auf ein faires, rechtstaatliches Verfahren. Ein Verbot müsse daher vom obersten deutschen Gericht, dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, beschlossen werden.
Neue Radikale formieren sich nach 1945
Auch die Hürden für ein Verbot sollten nicht zu niedrig sein. Allein gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu sein reicht nicht aus. Der Antragsteller eines Verbots – in den meisten Fällen die Bundesregierung – muss der Partei nachweisen, das sie aggressiv-kämpferisch gegen die Ordnung vorgeht. Zu einem ersten Eingriff sah sich Karlsruhe bereits kurz nach der Gründung 1951 genötigt – denn schon wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte sich bereits wieder eine Partei formiert, die vom gleichen Geist beseelt war wie die NSDAP.

Die Sozialistische Reichspartei (SRP) war ein Sammelbecken ehemaliger NSDAP-Mitglieder,  unzufriedener Ex-Militärs, Arbeitsloser und Heimatvertriebener. Geordnet nach dem Führerprinzip, unterschied sie sich auch programmatisch nur unwesentlich von ihrer Vorgängerin: deutscher Führungsanspruch, Blut und Boden, „der Jude“ als „Rassefeind“, die Einheit aller Deutschen im „Reich“. Der Holocaust erschien in dieser Logik als verzeihlicher Unfall, die Konzentrationslager waren laut SRP-Vorsitzendem Fritz Dorls gar eine „historische Notwendigkeit“. Mit gezielten Eklats versuchte die Partei, Gleichgesinnte anzuziehen.

Wäre sie damit nicht auch erfolgreich gewesen, wäre kein Problem entstanden. Aber bei den Landtagswahlen in Niedersachsen im Mai 1951 konnte die Neonazi-Partei elf Prozent der Stimmen gewinnen, bei der Bremer Bürgerschaftswahl im Herbst darauf fast acht Prozent. In 35 niedersächsischen Gemeinden erzielte sie die absolute Mehrheit. Binnen kürzester Zeit hatte sie rund 10.000 Mitglieder – und das nur sechs Jahre nach dem Holocaust und dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Der Antrag wurde von der Adenauer-Regierung eingereicht, der Prozess verlief unproblematisch: Im Oktober 1952 verbot Karlsruhe die Partei und begründete dies mit der „Wesensverwandtschaft mit der NSDAP“ und der „unverhohlenen Glorifizierung Hitlers“. Angst hatte man auf konservativer Seite vor der SRP allerdings auch, weil man ihre Konkurrenz im rechten Lager fürchtete. Klar war es der SRP verboten worden, Nachfolgeorganisationen zu gründen. Dennoch fand sich ein nicht unerheblicher Teil der Aktivisten in den sechziger Jahren in einer neuen Sammlungspartei wieder: der NPD.

Kritik und Probleme – KPD und NPD im Visier
Ebenfalls zu Beginn der fünfziger Jahre erklärte Adenauer die Kommunistische Partei Deutschlands für verfassungswidrig und reichte einen Verbotsantrag ein. Die Partei unterhielt damals Beziehungen zur SED und galt schon deshalb als verdächtig. Mit dem Verbot ließ sich das oberste Gericht fünf Jahre Zeit, beschloss es aber 1956. Kritiker monieren bis heute die teils wenig wasserfeste Argumentation des Gerichts und politische Einflussnahme auf die Juristen. Parteibüros wurden geschlossen, hunderte Verfahren und Verhaftungen waren die Folge. Und das gegen eine Partei, die zu NS-Zeiten im Widerstand war und sich nun gegen eine Remilitarisierung der jungen Bundesrepublik und für eine Wiedervereinigung beider deutscher Staaten aussprach –  freilich aber auch so manchen stalinistischen Hardliner in den eigenen Reihen hatte. Munitioniert hatte die Partei das Gericht selbst: In ihrem Programm rief sie zum „Sturz des Adenauer-Regimes“ auf und lieferte damit Anhaltspunkte für eine„aggressiv-kämpferische“ Haltung. Das Verbot sehen skeptische Beobachter als Teil des „Kalten Krieges“ – das politische Signal war: Die Feinde stehen links. Das Verbot wurde trotz vieler kritischer Stimmen bis heute nicht aufgehoben.

Im Jahr 2001 wurde das Instrument des Parteiverbots wieder ausgepackt – eine Reihe von fremdenfeindlichen Anschlägen hatte die Politik alarmiert. Am 30. Januar reichte die rot-grüne Bundesregierung einen Verbotsantrag gegen die NPD ein, die als politisch-organisatorisches Zentrum der deutschen Neonazi-Szene und der von ihr ausgehenden Gewalt gesehen wurde. Das Verfahren scheiterte nur zwei Jahre darauf. Aufgrund der vielen Verbindungspersonen des Verfassungsschutzes in den oberen Reihen der Partei wurde eine „fehlende Staatsferne“ der NPD festgestellt – ob sie tatsächlich verfassungswidrig ist, wurde von Seiten der Juristen nie geklärt.

Zehn Jahre darauf setzt die Politik nun erneut auf das Mittel des Verbots. Klar ist, dass die NPD trotz einer selbst immer wieder bekundeten Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung mit weniger als 8.000 Mitgliedern kaum noch als Zentrum des deutschen Rechtsextremismus gelten kann, zumal sich längst neue Parteien im gleichen Spektrum gegründet haben und auch freie Formen der politischen Aktion zunehmend populär sind. Die Politik möchte angesichts der Morde der NSU-Terrorgruppe ein Zeichen setzen – ob ein Parteiverbot die Szene merklich schwächt, darf jedoch bezweifelt werden.

Erschienen auf Yahoo Nachrichten am 6. Dezember 2012

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