Der Unterschied zwischen Odessa und Potsdam

LEUTE IN POTSDAM Der 21-jährige Ukrainer Igor Lysenko wohnt seit zwei Jahren am Schlaatz (19.02.04), von Lars Dittmer
„Als ich hier her kam, verstand ich kein Wort“, erinnert sich Igor Lysenko an seine erste Zeit in Deutschland. Vor zwei Jahren kam der 21-jährige von Odessa am Schwarzen Meer nach Potsdam, damals noch mit seinen Eltern – nicht widerwillig, wie er sagt, aber „gefragt wurde ich auch nicht.“Artikel in den Potsdamer Neueste Nachrichten vom 19. Februar 2004

Sein Vater arbeitete für ein amerikanische Firma und sah in Deutschland bessere Chancen für seine Karriere. Dennoch arrangierte sich Igor schnell mit seiner neuen Situation, nahm sich mit seiner Freundin Julia, einer jungen Russin aus St. Petersburg, eine Wohnung am Schlaatz, und absolvierte einen 6-monatigen Pflicht-Deutschkurs am Urania Schulhaus. „Da wurde allerdings auf Russisch unterrichtet – viel brachte das nicht.“ In Odessa hatte er bereits einige Semester Wirtschaft studiert, konnte sein Studium allerdings damals in Potsdam nicht fortzusetzen.

Dazu muss man als Ausländer mindestens das „Mittelstufenzertifikat“ vorweisen, eine Qualifikation, die man nur in einem Fortgeschrittenenkurs erlangt. Also blieb Igor für weitere sieben Monate an der Urania. „Die sind zwar etwas unorganisiert, tun aber wirklich viel für Ausländer“, sagt er über das Institut.

Neben intensiver Sprachschulung standen auch Fächer wie Sozialkunde und Politik auf dem Lehrplan des Intensivkurses. Vergangenen Freitag konnte er sich dann mit den anderen Absolventen sein Zeugnis abholen (PNN berichteten). Igor parliert jetzt fast problemlos auch über schwierige Sachverhalte in Deutsch. „Der Kurs hat mir echt geholfen – ich versteh jetzt sogar die Tagesschau“ strahlt er. Das lässt ihn leicht optimistisch in die Zukunft schauen, auch wenn er derzeit keine Arbeit hat und Sozialhilfe-Empfänger ist. Immerhin hat ihm die Universität Potsdam „gute Chancen“ auf einen Studienplatz eingeräumt.

„Wenn ich hier einen guten Job finde, kann ich mir vorstellen, länger in Deutschland zu bleiben.“ Und das Leben in Potsdam? Igor überlegt kurz. „Eigentlich wollte ich erst nach Berlin.“ Der Unterschied zwischen dem Leben in der 1,5 Millionen Metropole Odessa und Potsdam sei schon krass. Dennoch mag er die vielen Grünflächen hier in der Stadt und bescheinigt den Potsdamern „große Freundlichkeit“. Zum Ausgehen ist er allerdings meistens in Berlin unterwegs – „da geht“s dann auch erst spät los, wie in Odessa“. Denn, wenn Ukrainer feiern, schmunzelt Igor, „feiern sie immer als wäre es das letzte Mal.“ lad

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