Maschinenraum des modernen Lebens

Die Ausstellung „Things we do“ des türkischen Videokünstlers Ali Kazma im Kunstraum Tanas hat etwas von der Sendung mit der Maus. Auf acht Leinwänden wird in Kurzfilmen gebohrt, geschnitten, genäht, repariert, was das Zeug hält. Allerdings kommentiert keine Stimme aus dem Off die einzelnen Arbeitsschritte. Und die „Maus“ aus dem Kinderfernsehen würde wohl auch kaum eine Operation am offenen Kopf vorführen. Artikel im Tagesspiegel vom 20. April 2010

Der Uhrmacher bei der Arbeit. Foto: Tanas

Ali Kazma hat da keine Berührungsängste. Er zeigt Modedesigner, Töpfer, Gehirnchirurgen, islamische Schlachter und Tierpräparatoren bei ihrer Alltagsarbeit. Die Protagonisten werden alle mit dem gleichen Maß an sachlicher Neugier verfolgt. Zu sehen sind die kräftigen Hände eines Uhrmachers, der die geradezu mikroskopischen Teile eines Zeitmessers geschickt zusammenfügt. Am Schluss setzt er das Ziffernblatt ein und lässt den Klingelton hören – repariert. In „Casa di Moda“ wandelt sich ein Stück Stoff vom reinen Zwirn in ein Designerkleid. Zunächst wird er von maschinellen Webstühlen gewebt, geknüpft, vernäht. Bei einer italienischen Modenschau wird das Stück Stoff später zu wummernden Hip-Hop-Rythmen von Models über den Laufsteg getragen.

Doch so heiter geht es nicht in allen Filmbeispielen Ali Kazmas zu. Die Demonstration einer Gehirnoperation erzeugt dagegen flaue Gefühle im Magen. Zunächst vermisst der Chirurg den Kopf einer Morbus-Parkinson-Patientin, die das Gefühl in den Armen verloren hat. Dann öffnet er den Schädel bei lokaler Betäubung. Wenige Zentimeter unterhalb der Kopföffnung blicken wach die Augen der Patientin in die Kamera. Auch die Bilder, in denen muslimische Schächter zappelnde Kühe mit einem schnellen Schnitt durch die Kehle töten, verlangen Robustheit. Blutbäche und Gedärme auf Fließbändern zeigen brutal die Hässlichkeiten hinter der Aufrechterhaltung des carnivoren Alltags. Während die Schächter ihre Messer prüfen, die scharf wie Samuraiklingen aussehen, blendet Kazma die vorwurfsvollen Blicke der Kühe ein.

Vor der Zusammenarbeit mit seinen Protagonisten hat Kazma aufwendig recherchiert und die Menschen an ihren Arbeitsplätzen besucht. Allein in dem Schlachthof hat er tapfer fünf Tage zugebracht. „Der Geruch war das Schlimmste“, erinnert er sich. Obwohl der für den Nam-June-Paik-Preis 2010 nominierte Künstler ausschließlich Routineabläufe zeigt, ziehen die Geschichten in ihren Bann. Schnell wird klar, wie sehr wir nur noch Konsumenten sind – Fleisch liegt in der Theke, Kleidung hängt an Stangen, Töpfe und Keramik gibt’s im Kaufhaus. Ein interessanter Rundgang durch den Maschinenraum des modernen Lebens. Lars Dittmer

Tanas, Heidestraße 50, bis 29. Mai; Di-Sa 11-18 Uhr. Künstlergespräch am 24. 4., 15 Uhr. Zur Ausstellung erscheint der Katalog „Obstruction“ (Yapikredi Verlag, 18 €)

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