Schwarzer Wahltag für Merkel: hat sichs jetzt ausgespart?

Kommentar

Jean-Marc Ayrault/Wikipedia

Jean-Marc Ayrault/Wikipedia

Für Bundeskanzlerin Merkel war es ein verhagelter Wahlsonntag: In Frankreich bereitet der Sozialist François Hollande dem EU-Traumduett „Merkozy“ ein Ende und plant, den Fiskalpakt der EU neuzuverhandeln. In Griechenland wurden die beiden Altparteien der Mitte abgestraft – sie haben den Sparkurs von EU und IWF mitgetragen. Lösen Investitionsprogramme und Staatskapitalismus nun das Spardiktat in Europa ab? Können wir uns auf den Abschied vom Euro einstellen?  Nein, denn die Wahlergebnisse signalisieren: Es gibt auch einen Mittelweg.

Wieder einmal muss der Wähler die Politik darauf hinweisen: „Alternativlos“ ist nichts. Offenbar auch nicht die rigide Sparpolitik, die vor nicht allzu langer Zeit noch von Bundeskanzlerin Merkel und ihrem französischen Counterpart Sarkozy schulmeisterlich durch Europa getragen wurde. Noch Ende vergangenen Jahres kündigte Sarkozy an, das französische Staatsdefizit bis 2013 von sieben auf drei Prozent senken zu wollen. Dazu seien Milliardeneinsparungen notwendig.

Die Wähler haben es nicht goutiert – am gestrigen Sonntag konnte Sarkozy lediglich rund 48 Prozent einfahren, 51 Prozent stimmten für Hollande. Der Sozialist hatte versprochen, das Portemonnaie aufzumachen: Den europäischen Fiskalpakt wolle er aufschnüren, der die EU-Mitglieder zu Haushaltsdisziplin verpflichtet. Zuhause möchte er die Familien unterstützen, auch das gibt es nicht umsonst. Für Merkels Sparrhetorik wird es enger.

In Griechenland sieht es ähnlich aus: Die Parteien der Mitte, die konservative Nea Dimokratika und die sozialdemokratische Pasok, haben eine böse Packung einstecken müssen – mit 149 Stimmen von 300 können sie ihre große Koalition nicht weiterführen. Stattdessen hoben die Griechen das Bündnis der Radikalen Linken „Syriza“ mit fast 17 Prozent auf Platz zwei des Siegertreppchens, und den Rest machen teils neue Splitterguppen unter sich aus. Was die Sieger allerdings gemein haben: Sie alle lehnen die schmerzhaften Einschnitte für das gebeutelte Land ab oder stehen ihnen zumindest skeptisch gegenüber.

Immer mehr hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass alleiniges Sparen – wie es den Griechen von Merkel und Co. diktiert wurde –  nur zu mehr Armut führt, zu sonst nichts. Als wahrscheinlich gilt nun, dass sich die beiden Großparteien mit den „Unabhängigen Griechen“ zusammentun, einem rechtsgelagerten Bündnis ehemaliger Anhänger der Großen. Die „Kaputtsparpolitik“ der Vorgänger wollen sie nicht mittragen, sie fordern ein Aussetzen der Zinszahlungen. In Frankreichs Hollande finden sie einen mächtigen Verbündeten.

Die Wähler wollen den dritten Weg

Aber gab es da nicht mal die bösen Ratingagenturen aus New York, die Konsolidierungseinpeitscher aus dem IWF und aus Deutschland? Sparen galt als alternativlos, entweder wird der Gürtel enger geschnallt, oder der Euro ist am Ende. Mit den Wahlen vom Sonntag haben zwei europäische Länder klar gemacht, dass sie sich nicht die Pistole auf die Brust setzen lassen. Zwar ist Griechenland durch die Wahlergebnisse schwieriger zu regieren geworden. Ein radikales anti-europäisches Statement war dies allerdings nicht, die Griechen haben im Gegenteil mit der Syriza einen Parteienzusammenschluss gewählt, der für den Euro ist. Und die beiden großen Parteien vereinen noch immer fast die Hälfte der Stimmen. Es hätte schlimmer ausgehen können für sie.

Und auch mit Hollande ist ein lupenreiner Europäer an die Macht gekommen, der zwar den strikten Konsolidierungskurs des Vorgängers ablehnt, aber mit Sicherheit nichts tun wird, was den Euro gefährden könnte. In Deutschland wird man mit dem pragmatischen Sozialisten vermutlich auf einen verlässlicheren Partner treffen als es der „Gelegenheitseuropäer“ Sarkozy war. Der wollte zwar gegen Ende seiner Amtszeit sparen, hatte aber zuvor die Reichen entlastet.

Berlin hat auch bereits Signale an Paris für einen gemeinsamen „Wachstumspakt“ der beiden Länder gesendet. Genau der könnte den besagten Mittelweg vorzeichnen: Sparen und Schulden begleichen ja, aber auch starke Impulse für Wachstum – durch Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Soziales. Gerade in den Ländern Südeuropas sind Programme gegen die Jugendarbeitslosigkeit angezeigt. Denn ohne Geld in der Börse lassen sich auch keine Schulden begleichen.

Nein, die Europäer haben kein radikales Statement geäußert, sondern ein moderates, aber entschiedenes „Bis hier her und nicht weiter!“ an die Kaputtsparfraktion um Bundeskanzlerin Merkel, den IWF und die Ratingagenturen laut gemacht. Das war ein guter Sonntag für Europa und könnte sich in anderen Ländern der EU wiederholen – die Politik muss diesen Ball nun aufnehmen.

Erschienen auf Yahoo! Nachrichten

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