Falls Hollande gewinnt: Was wird aus dem Euro?

Bild: Wikipedia/jmayrault

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Beliebter Sozialist: Momentan liegt Hollande vor Sarkozy. Der Wahlkampf in Frankreich spitzt sich zu: Sozialist François Hollande liegt in den Umfragen vor Amtsinhaber Nicolas Sarkozy. Sollte der Herausforderer tatsächlich gewinnen, wäre dies auch das Ende des europäischen „Traumpaares“ Merkozy. Und diese Vorstellung lässt so manchen konservativen Politiker auch in Deutschland erschaudern. Was wird dann aus dem Euro? Schließlich hat Hollande angekündigt, den mühselig ausgehandelten Fiskalpakt neu verhandeln zu wollen. Doch EU-Expertin Professor Tanja Börzel gibt gebenüber Yahoo! Nachrichten Entwarnung. Sie glaubt, auch Hollande wird nach der Wahl die Realität der Eurokrise einholen.

Yahoo! Nachrichten: Frau Prof. Börzel, spielen EU und Ausland im französischen Wahlkampf eine Rolle, oder ist man mit sich selbst beschäftigt?

Prof. Tanja Börzel: Die EU-Politik spielt eine große Rolle! Sarkozy hatte sich zunächst insbesondere bei der „Euro-Rettung“ und bei den Verhandlungen um den Fiskalpakt prominent inszeniert. Er wollte über dieses Thema seine europäischen „Leadership-Qualitäten“ unter Beweis stellen. Über die vergangenen Jahre hat sich da das Blatt allerdings gewendet – Sarkozy wurde zunehmend als Junior-Partner von Merkel wahrgenommen. Dafür hat er viel Prügel einstecken müssen.

Warum das – hegt man in Frankreich Groll gegen Deutschland?

Das nicht, aber die Wahrnehmung in Frankreich war stets, dass man sich als Speerspitze in der EU-Politik gesehen hat und nicht als „Pudel“ Deutschlands. Zudem war die Politik Merkels sehr an Haushaltsdisziplin und Sparen ausgerichtet, sie möchte die Rolle des Staates zurücknehmen. Das französische Wirtschaftsmodell hingegen betonte stets einen starken, eingreifenden Staat, und das ganz parteiunabhängig. In Frankreich wurde es schon ungern gesehen, dass sich Sarkozy Deutschland unterordnet. Im Wahlkampf bedient der Konservative dies Sentiment: Er hat erst kürzlich wieder eine stärkere Rolle für die EZB gefordert und ist da eigentlich auch mit Deutschland über Kreuz.

Merkel und Sarkozy galten ja lange Zeit als politisches Traumpaar, aber Sarkozy liegt in den Umfragen hinter seinem Herausforderer François Hollande. Was passiert, wenn Sarkozy aus dem Amt scheidet?

Berechtigte Frage – deswegen wurde ja auch Merkels einseitiges Eingreifen in den Wahlkampf hier in Deutschland kritisiert. Hollande fährt in vielen Fragen einen dezidiert anderen Kurs als Sarkozy. Er hat ja angekündigt, er wolle den Fiskalpakt, der die EU-Länder zum sparen anhält, so nicht ratifizieren lassen. Da ist schon klar, dass Merkel lieber mit einem Sarkozy weitermachen möchte, bei dem sie weiß, was sie hat.

Werden die deutsch-französischen Beziehungen unter einem Hollande leiden?

Das glaube ich nicht. Zwar gibt es Handlungsspielräume für Politiker, es gibt aber auch realpolitische Zwänge. Und Frankreich steht wirtschaftlich derzeit nicht besonders gut da und es braucht Europa ebenso wie Europa Frankreich braucht. Ob ein Hollande genug politische Kraft hat um den Fiskalpakt neu zu verhandeln, das wage ich zu bezweifeln. Der Pakt wurde ja zwischen 25 Ländern beschlossen. Außerdem ist doch auch die Kanzlerin pragmatisch: auf kurz oder lang wird sie auch mit Hollande einen Weg der Zusammenarbeit finden.

Also wird sich nichts ändern? Business-as-usual?

Das deutsch-französische Verhältnis war immer zentral in Europa. Mal gab es deutsche Kanzler, die sehr gut mit ihren französischen Kollegen zurechtkamen, mal weniger. Giscard und Schmidt konnten sehr gut miteinander, auch Kohl und Mitterand verstanden sich. Schröder und Chirac hingegen waren nicht gerade ein Dreamteam, und bei Merkel und Sarkozy sah es am Anfang so toll auch nicht aus. Sie haben sich dann in der Wirtschaftskrise allerdings zusammengefunden und wurden „Merkozy“. Ich denke, Personal ist wichtig, aber entscheidender ist: Deutschland und Frankreich müssen zusammenarbeiten. Auch ein Hollande kann sich dieser Logik nicht entziehen.

Wie wird es denn jetzt mit dem Euro weitergehen?

Die spannende Frage ist, wie werden die Finanzmärkte auf Hollande reagieren. Frankreich ist angeschlagen und muss auch bald einen Teil seiner Schulden refinanzieren. Die Frage ist wer dem Land in seiner jetzigen Position noch Kredite geben würde. Und sollte Frankreich tatsächlich unter den Rettungsschirm müssen, hätte dies massive Auswirkungen auf den Euro! Auch ein Hollande kann daher nicht um realpolitische Notwendigkeiten herum.

Bild: FU Berlin

Bild: FU Berlin

Bild: Freie Universität BerlinProf. Dr. Tanja Börzel arbeitet am
Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften des
Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft,
Arbeitsstelle Europäische Integration

 

 

 

Erschienen auf Yahoo! Nachrichten

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