Berlin, Hamburg, München – wer ist Klimaqueen?

Vier Fünftel der menschlichen Treibhausgas-Emissionen werden von Städtern produziert – obwohl sie lediglich zwei Prozent der Erdoberfläche einnehmen. Kommunen können deshalb eine Menge für den Klimaschutz tun, selbst wenn die nationalen Regierungen versagen. Wie sieht es in den drei größten deutschen Städten aus? wir-klimaretter.de hat Berlin, Hamburg und München einem Klimaschutzcheck unterzogen. Artikel bei Klimaretter.info vom 21. März 2010

„Nur weil die Politik in Kopenhagen nichts zustande gebracht hat, ist das Thema Klimaschutz ja nun nicht grundsätzlich von der Agenda“, sagt Stephan Seiler von der Hamburger Umweltbehörde. Der Satz klingt wohlfeil, aber die Hansestadt handelt auch. Im Dezember verabschiedete der schwarz-grüne Senat ein 179 Seiten dickes Dokument, die Fortschreibung des Hamburger Klimaschutzprogramms aus dem Jahr 2007. Mehr als 350 Einzelmaßnahmen werden darin aufgelistet – beispielsweise sollen Behörden-Pkw künftig nur noch 115 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen dürfen. Bis 2020 sollen, so das Ziel, die Treibhausgas-Emissionen Hamburgs um 40 Prozent gegenüber 1990 zurückgehen.

Als Hafenstadt würde Hamburg den Anstieg der Meere hautnah spüren - auch deshalb hat der Senat ein anspruchsvolles Klimaschutzprogramm beschlossen (Foto: Hamburg.de)

Ein ambitioniertes Ziel ist das, aber durchaus machbar. Obwohl Städte nur zwei Prozent der Erdoberfläche einnehmen, verursachen sie etwa 80 Prozent der menschengemachten Treibhausgase. Das Potenzial für Energieeinsparungen ist bei ihnen besonders groß, die Voraussetzungen für einen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs zum Beispiel sind dort wegen der hohen Bevölkerungsdichte besonders günstig. Schon vor zwanzig Jahren gründete sich ein europaweites Klimabündnis von Städten. Die 1.500 Mitgliedsgemeinden, -landkreise und -provinzen von Spanien bis Polen haben sich verpflichtet, ihre Emissionen bis 2030 zu halbieren. „Auf das Handeln der internationalen Politik“, sagt auch Geschäftsführerin Ulrike Janssen, „haben wir allzu lang gewartet.“

Das europäische Klimabündnis ist nicht die einzige Reaktion auf kommunaler Ebene. Allein im vergangenen Jahr gab es mehrere weltweite Konferenzen von klimaaktiven Städten, etwa den C40 Cities Climate Summit in Seoul oder die Hamburg City Climate Conference. Dabei gehe es „auch um Selbstschutz“, räumt Ulrike Janssen ein. Denn viele Weltmetropolen sind Hafenstädte, sie wären von steigenden Meeresspiegeln besonders betroffen.

„Derzeit sind die Pegelstände noch kein Problem“, sagt Stephan Seiler. Aber vorsorglich werden auch an der Unterelbe bereits die Deiche erhöht. Mit jährlich rund 17 Millionen Tonnen Kohlendioxid trägt Hamburg derzeit zum Klimawandel bei. Umgerechnet auf die Einwohnerzahl ergibt das einen Pro-Kopf-Ausstoß von 6,6 Tonnen – damit liegt die Hansestadt zwar unter dem deutschen Durchschnitt von etwa zehn Tonnen, aber merklich über anderen Großstädten wie München (6,5 Tonnen) und Berlin (5,9 Tonnen).

Können Kommunen überhaupt etwas fürs Klima tun?
„Handlungsspielräume gibt es zuhauf“

Um rund zwei Millionen Tonnen möchte Hamburg seine Emissionen schon innerhalb der nächsten zwei Jahre senken. Das Klimaschutzkonzept, lobt der Naturschutzbund (Nabu), sei das erste seiner Art. 25 Millionen Euro pro Jahr stellt der Senat dafür bereit. So sollen künftig beispielsweise Radwege verstärkt ausgebaut werden, die S-Bahn fährt seit Jahresbeginn mit Strom aus Wasserkraftwerken. Städtische Wohnungsbauförderung zum Beispiel soll es ab 2012 nur noch für besonders energiesparende Passivhäuser geben, auch die die Vorschriften für die Altbausanierung verschärft die Hansestadt. Bis 2050, so das Ziel, soll der CO2-Ausstoß im Gebäudesektor um 80 Prozent vermindert werden. Durch die Sanierung öffentlicher Bauten will der Senat private Eigentümer zur Nachahmung anregen (die städtischen Energiekosten werden dabei ganz nebenbei gesenkt).

Im Fadenkreuz des Berliner Gesetzes: Der Altbaubestand (Foto: Wikipedia)

„Handlungsspielräume gibt es zuhauf“, betont Ulrike Janssen, obwohl Städte kaum Gesetze erlassen und kaum Steuern erheben können. Die wohl meisten Möglichkeiten gibt es im Baubereich, auch der Berliner Senat legt hier einen Schwerpunkt. Für Heizungen etwa will der rot-rote Senat detaillierte Regeln erlassen und über bundesweit geltende Gesetze hinausgehen: Auch für Altbauten soll künftig die Nutzung Erneuerbarer Energien vorgeschrieben werden, etwa von Sonnenkollektoren oder Holzpellets. Als Stadtstaat hat Berlin die Möglichkeit, dafür ein eigenes Klimagesetz zu erlassen – doch Bereiche jenseits des Bausektors kommen darin kaum vor, zudem hängt der Gesetzentwurf seit mehr als zwei Jahren im Lobbygestrüpp fest. Bau- und Wohnungswirtschaft lehnen es als zu unflexibel ab, andererseits sorgen sich Teile von SPD und Linkspartei vor möglichen Mietsteigerungen.

Auf zwölf Millionen Tonnen (derzeit: 19 Millionen) soll der Berliner Treibhausgas-Ausstoß bis 2020 sinken, aber bis zum Erlass des Gesetzes sind die Schritte auf dem Weg dorthin eher klein. Mit sogenannten „Energiesparpartnerschaften“ senkt der Senat bereits seine Energiekosten (und den eigenen CO2-Ausstoß): Privatfirmen übernehmen dabei die Energieversorgung öffentlicher Gebäude und suchen selbst nach Einsparmöglichkeiten – den Gewinn daraus teilen sich Land und Unternehmen. In den bislang beteiligten rund 1.300 Gebäuden sei bereits eine jährliche Ersparnis von rund 60.000 Tonnen Kohlendioxid erreicht, so der Senat.

Stufenweise soll es abwärts gehen mit den Emissionen: unter anderem durch das Praterkraftwerk in München (Foto: Praterkraftwerk.de)

Welche der deutschen Großstädte tut denn nun am meisten fürs Klima? „Was Strategie und Beharrlichkeit angeht, ist München Vorreiter“, sagt Ulrike Janssen vom Klimabündnis. So fördere die Alpenmetropole bereits seit den 90er Jahren private Klimaschutzinitiativen – damals war der Klimawandel noch längst nicht im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Auch in München gibt es eine lange, lange Liste städtischer Klimavorhaben – von Effizienzsteigerungen bei der Straßenbeleuchtung bis zu Großvorhaben wie die Neubausiedlung Freiham im Westen der Stadt, die komplett mit Erdwärme beheizt werden und dadurch 19.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr einsparen soll.

Innerhalb der Stadtverwaltung läuft gerade ein Wettbewerb um neue Ideen, die Rathaus-Spitze hat alle Behördenreferaten aufgerufen, Ideen zur Emissionsminderung einzureichen, die dann im April als „Integriertes Handlungsprogramm Klimaschutz“ beschlossen werden sollen. Doch von Umweltverbänden kommt auch Kritik: Im Verkehrssektor, bemängelt etwa Martin Hänsel vom Bund Naturschutz, laufe „rein gar nichts“. Dabei sei dies, angesichts steigender Autozahlen und nicht vorhandener Schwerindustrie, in München ein überaus wichtiger Posten der Klimabilanz. Etwa 500.000 tägliche Autofahrten ins Umland, meist von Berufspendlern, haben Verkehrswissenschaftler in München registriert – trotzdem fehlen strategische Ziele für eine klimafreundlichere Nahverkehrsversorgung.

Die eigentlich vorbildliche Stadt ist bereits einmal an Klimazielen gescheitert. 1991 hatte München beschlossen, den Treibhausgas-Ausstoß bis 2005 um 30 Prozent (gegenüber 1987) zu senken. Dafür ließ man sich vom Freiburger Öko-Institut vorbildliche Konzepte schreiben. Doch im Jahr 2000 waren gerade einmal sieben Prozent Reduktion geschafft. Es sei klargeworden, hieß es 2004 in einer Zwischenbilanz, „dass ohne einen einschneidenden Wandel in den Rahmenbedingungen für kommunale Klimaschutzaktivitäten die ambitionierten Reduktionsziele nicht erreichbar sein werden“. Im Klartext: Eine Klima- und Energierevolution ist allein in den Städten eben doch nicht zu machen.

Der revidierter Münchner Klimaplan sieht nun vor, den CO2-Ausstoß (2008: etwa 8 Mio. Tonnen) bis 2030 zu halbieren. Einen großen Teil davon sollen die Stadtwerke schaffen – sie haben sich zum Ziel gesetzt, bis 2015 alle Privatkunden zu hundert Prozent aus Erneuerbaren Energien zu versorgen, bis 2025 auch alle Gewerbekunden. Dazu dienen eigene Projekte wie das Praterkraftwerk, außerdem steigen die Stadtwerke in großem Maßstab in Offshore-Windparks in der Nordsee und Solarkraftwerke in Spanien ein.

Vattenfalls Klimakiller in Moorburg wird sich
in der offiziellen Klimabilanz nicht niederschlagen

Hamburg und Berlin haben es da schwerer, seit dem Verkauf der kommunalen Versorger HEW bzw. Bewag sind die Großstädte das Revier des Atom- und Kohlestromers Vattenfall.  Zwar entschied sich in der Hauptstadt der Senat Anfang 2009 für den Einkauf von Ökostrom für den öffentlichen Bedarf – aber erst nach heftigem öffentlichen Druck und selbst dann auch nur für eine hellgrüne Billigvariante. Hamburg, um zumindest ein bisschen Einfluss auf die Energieversorgung zurückzugewinnen, hat wieder einen städtischen Energieversorger gegründet. Während der schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen hatte die GAL dies ultimativ verlangt – als kleine Kompensation für das letztlich nicht verhinderte Kohlekraftwerk von Vattenfall in Moorburg.

2012 soll diese CO2-Schleuder mit einem Jahresausstoß von neun Millionen Tonnen ans Netz gehen. Doch in der offiziellen Klimabilanz der Elbestadt wird sich das nicht niederschlagen. Praktischerweise wird sie seit 2003 nicht nach der sogenannten „Quellmethode“ ermittelt, sondern nach der „Verursachermethode“: Nicht die Emissionen, die auf dem Hamburger Stadtgebiet ihre Quelle haben, werden dabei erfasst, sondern jene, die auf die dort verursachte Energienachfrage zurückgehen. „Und der Verbrauch der Hamburger ändert sich durch Moorburg nicht,“ erklärt Umweltbehördensprecher Seiler.

Bleibt zu hoffen, dass die Elbe diese statistischen Feinheiten berücksichtigt, sollte sie klimawandelbedingte Überschwemmungen planen.

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