Terrorgefahr: Mauern statt Klartext

Kommentar

Die Bundesregierung möchte die atomaren Zwischenlager besser sichern und beginnt in diesen Tagen, immense Bollwerke zu errichten. Offenbar gibt es neue Erkenntnisse über terroristische Anschläge. Die Informationspolitik ist allerdings mehr als dürftig – weder Anwohner noch Öffentlichkeit werden über Sinn, Details und Hintergründe des Vorhabens unterrichtet.

Jemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen. Sogar mehrere — und das mitten in Deutschland. In Bayern geht es schon los. An den AKW-Standorten Grundremmingen und Isar II wird derzeit der Bau von Schutzwällen geplant. Allerdings dieses Mal keine „antifaschistischen“: Die Bundesregierung will die atomaren Zwischenlager stärker sichern und beginnt den Bau von entsprechenden Vorrichtungen. In Grundremmingen etwa nimmt dies monumentale Ausmaße an: Rund zehn Meter hoch und 85 Zentimeter dick soll das Stahlbeton-Ungetüm werden. Der 1,500 Seelen-Ort rund 50 Kilometer westlich von Augsburg kann sich also auf eine neue Touristenattraktion freuen.

Das AKW Grundremmingen. (Bild: Reiner Zenz/Wikipedia)

Für die Menschen vor Ort kommt dies ohne Vorwarnung.  Der Bürgermeister der Gemeinde, Wolfgang Mayer, wird noch am Mittwoch vom Spiegel zitiert, dass der Bauantrag der Betreibergesellschaft völlig überraschend kam und auch „nicht begründet“ worden sei. Die Planungsdetails sind geheim. Überhaupt ist alles top secret und dubios — wie so oft, wenn es um das heikle Thema Atomkraft geht. Das Umweltministerium gibt sich wortkarg: Die geplanten Maßnahmen dienen dem Schutz „gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter“, hieß es am Mittwoch in Berlin. Offenbar will man sich gegen terroristische Anschläge und Flugzeugabstürze wappnen.

Nanu? Das Bedrohungsszenario eines terroristischen Anschlages — sei es durch einen gezielten Flugzeugabsturz oder den Angriff mit einer Panzerfaust — ist doch so neu nicht und seit dem elften September auch kein reines Hirngespinst mehr.  Vor zehn Jahren schon hat das Bundesamt für Strahlenschutz unterschiedliche Absturzszenarien für Verkehrsflugzeuge auf atomare Zwischenlager durchgespielt. Damals gab man sich zufrieden: „Leben und Gesundheit“ seien nicht durch Flugzeugcrashs gefährdet, hieß es im Abschlussbericht. Weiß man nun etwas Neues? „Ja“, heißt es dazu beim niedersächsischen Umweltministerium: Es gäbe neue Erkenntnisse über „Tatmittel und Tatverhalten“ bei terroristischen Anschlägen.

Welche das sind, wird nicht verlautbart. Trotzdem werden jetzt fieberhaft Mauern gebaut. Obwohl alle Kosten den Betreibern auferlegt wurden, murren nicht einmal RWE und Eon, die angeblich auch schon Schutzvorrichtungen planen.  Alles muss sicherer werden — in Gorleben wurden offenbar  im vergangenen Jahr bereits die Castorbehälter von den Wänden weggestellt. Ziemlich clever. Offenbar sollen alle Zwischenlager in Deutschland noch dieses Jahr mit den neuen Schutzwällen befestigt werden.

Bleibt nur die Frage, was eigentlich mit den Reaktoren selbst geschieht. Die stehen ja letztlich weit exponierter in der Landschaft als die Zwischenlager und sind sie sowohl durch inszenierte Flugzeugattacken wie auch durch Panzerfaustraketen weitaus einfacher zu treffen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass sie nach dem ersten Beschuss außer Kontrolle geraten und dann – wie in Fukushima gesehen – über Monate vor sich hin kokeln und strahlen. Glaubt man Greenpeace-Berichten, wäre so ein Angriff auch mit wenig Ressourcen machbar.

Wenn also die neuen Erkenntnisse über „Tatmittel und Tatverhalten“ beinhalten, dass Terroristen künftig die schwerer zu treffenden Zwischenlager wählen wollen — gut, dass wir jetzt Mauern drum herum ziehen. Sollten sie allerdings in guter alter Terroristenmanier doch die Ziele wählen, die einfacher zu attackieren sind und wahrscheinlich weitaus mehr Menschen verstrahlen, würde einen doch interessieren, wie diese neuen „Tatmittel und Tatverhalten“ bei Terroristen nun aussehen, und warum unsere Atomreaktoren dagegen angeblich gefeit sind. Eine transparente Informationspolitik sieht anders aus – die Bundesregierung sollte anfangen, Klartext zu reden, anstatt zu „mauern“. Ihr bisheriger Umgang mit dem Thema ist eher geeignet, Ängste zu schüren, als den Bürgern ein Gefühl erhöhter Sicherheit zu geben.

Geschrieben für Yahoo! Nachrichten

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