In Berlin am Samstag: Folgt der Karotte!

„Viele Leute wollen was für die Umwelt tun, wissen aber nicht was“, hat Alexander Steinhart beobachtet. Er selbst immerhin hat eine Idee: Steinhart hat zusammen mit ein paar Kumpels den „Carrotmob“ nach Deutschland gebracht. Im Juni beglückten sie Cengiz Kimyeci, den Betreiber eines kleinen Kreuzberger Spätkaufs, mit einer Horde kaufwilliger Klimaaktivisten, die seine Umsätze in die Höhe schnellen ließen. Warum? Herr Kimyeci hatte zugesagt, in den Klimaschutz zu investieren. Am morgigen Samstag will der Carrotmob weiterziehen nach Mitte. Artikel bei Klimaretter.info vom 22.Oktober 2009 von Lars Dittmer

Die Idee kommt aus den USA, und sie ist eigentlich ganz simpel. Über Mailinglisten, Twitter und Social Networks verabreden sich Aktivisten, ein Unternehmen an einem bestimmten Tag zu Alltagsbesorgungen zu besuchen. Für diese gezielt gesteigerte Nachfrage wird aber eine Gegenleistung verlangt. In einer Art Bieterverfahren können interessierte Unternehmen zuvor mitteilen, was Ihnen an Geschäfts-Weltverbesserung vorschwebt.

Leergekauft - Carrotmob-Team im Sommer vor Kreuzberger Spätkauf (Foto: Flickr)

Wer den größten Teil des Tagesumsatzes bereit ist, in -sagen wir – Energiesparmaßnahmen oder ähnliches zu investieren, der gewinnt die aktivisten-Laune. „Das Ergebnis ist eine klassische Win-Win-Situation“, sagt Alexander Steinhart. Es ist jedenfalls das glatte Gegenteil des klassischen Boykotts. Der Name „Carrotmob“ leitet sich ab von der englischen Phrase für das Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“, nämlich „Carrot and Stick“ (wörtlich übersetzt: Karotte und Stock).

Discounter und Fleischer kommen natürlich „eher nicht in Frage“

Diesen Samstag also wird der Berliner Carrotmob über die Salatbar Eve&Adam’s unweit des Alexanderplatzes herfallen. Neben einer schier endlosen Auswahl an Salaten und Fruchtsäften (neudeutsch: „Smoothies“) können sich die Klimafreunde hier an Müslis und Gemüsesnacks ein gutes Gewissen kaufen. Alles voll biologisch. „Es würde aus ökologischen Aspekten wenig Sinn machen, einen Laden zu stärken, der nur Fleisch aus Massentierhaltung im Angebot hat“, erklärt Alexander Steinhart. Ein Mindestmaß an Sozial- oder Nachhaltigkeitsstandards müsse das zu unterstützende Geschäft schon erfüllen. „Discounter kommen nicht in Frage. Wir wollen ja niemanden greenwashen.“

Anfang Oktober begannen die Aktivisten um Steinhart mit dem Auswahlverfahren für den Carrotmob, der Teil des morgigen weltweiten 350.org-Aktionstags sein soll. Circa 40 Berliner Ladenbesitzer wurden angesprochen und zum wettbieten eingeladen. Bei Eve&Adams-Obersalatier Jens Riewe liefen die Carrotmobber sofort offene Türen ein: „Ich wollte eigentlich schon lang mehr Geld in Nachhaltigkeit investieren.“ Vertraglich sicherte der Bartreiber zu, 45 Prozent des Tagesumsatzes in Energiesparmaßnahmen zu stecken.

In Erwartung der Mobster - Ronny Schulze und Jens Riewe von der Salatbar Eve&Adam's (Foto: Lars Dittmer)

Die Potenziale dazu wurden schon im Vorfeld von einem Fachmann der Energieberatungsgesellschaft co2online eruiert. Dessen Empfehlung: Der Erlös solle in den Wechsel zu Ökostrom, eine modernere Warmwasserbereitung und ein neues Kühlregal fließen. „Für mich eine absolute Zukunftsinvestition“, sagt Jens Riewe. Zwar haben Riewe und sein Team bereits bei der Einrichtung des Ladens auf ökologische Standards geachtet (passend zum Sortiment), dennoch lohne sich der Carrotmob in jedem Fall. Nicht zuletzt natürlich wegen der „schönen Medienaufmerksamkeit“.

Die Resonanz auf die Carrotmobs war bisher stets positiv, sagt Gründer Alexander Steinhart. Möglicherweise finde der ein oder andere Hardcore-Umweltaktivist die Idee etwas „zu glatt“ – denn statt Kritik am System werde hier Kritik im System des Konsums geübt. Steinhart jedoch hofft, durch die kooperative Aktionsform mehr Leute zu erreichen. Und außerdem „rufen wir ja auch nicht zu überflüssigem Konsumismus auf“, betont Steinhart. „Jeder soll nur die Dinge kaufen, die er ohnehin braucht.“

Achso, und jeder kann natürlich die Idee des Carrotmob in seiner eigenen Stadt kopieren.

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